Gilbert Schaller: "Wir drehen die Qualitätsschraube jetzt enger"

ÖTV-Sportdirektor Gilbert Schaller resümierte in Teil 1 über das Jahr 2008. In Teil 2 spricht er über die verkleinerte Südstadt-Gruppe und was von den neuen Kaderspielern erwartet wird.

Im Jahr 2009 wird sich in der Südstadt einiges ändern. Von der ursprünglichen HSZ-Gruppe mit Martin Fischer, Rainer Eitzinger, Andreas Haider-Maurer, Armin Sandbichler und Philipp Oswald ist nur mehr ersterer übrig. Was sind die Gründe dafür?
Wir haben heuer am Ende des Jahres mit den Spielern über die neuen Verträge gesprochen. Rainer Eitzinger ist mit 26 in einem Alter, wo der ÖTV nicht mehr direkt fördern sollte. Wenn er bei uns weiter trainieren hätte wollen, dann hätte er auch selbst einiges finanzieren müssen. Das war ihm zu teuer, daher ist die Entscheidung schon aus finanziellen Gründen gefallen. Bei Haider-Maurer und Oswald bin ich in der spielerischen Entwicklung zwar zufrieden, aber in der Umsetzung noch nicht. Außerdem müssen die Jungen lernen Prioritäten zu setzen, sie müssen ihrer Karriere alles unterordnen.

Werden die beiden wieder ein geeignetes Umfeld finden?
Bei Haider-Maurer ist ein gutes Management dahinter, da mache ich mir keine Sorgen. Für Oswald hoffe ich, dass er das passende Umfeld für ihn findet. Aber wenn er weiß was er will, dann gelingt ihm das auch. Ich muss sagen, dass ich gar nicht so unglücklich darüber bin, dass die Gruppe jetzt kleiner geworden ist, weil wir können es uns nicht leisten, dass für jeden einen Trainer abstellen, was ein Wunsch vom Andi war.

Rücken jetzt neue Spieler nach?
Nico Reissig kommt jetzt zur Gruppe, das ist auch ein Schritt in die neue Philosophie, nämlich dass wir schon einen Spieler haben, der sich schon etwas erarbeitet hat und dass wir neben ihm jüngere Spieler integrieren, die im Sog von ihm schneller wachsen können.

Sie sprechen schon das Sportkonzept 2009 an. Wann werden A-,B- und C-Kader besetzt sein?
Bis jetzt steht einmal nur das Konzept. Bei den Besetzungen möchte ich dieses Jahr abwarten, viel beobachten, Gespräche führen, und bis zum Sommer wollen wir dann eine Entscheidung treffen, wer das Zugpferd sein wird. Diese Position ist die einzige, die von Anfang an besetzt sein sollte, dass die Jungen einen Spieler im A-Kader haben, an dem sie sich orientieren können. Genauso wichtig ist es mir, dass das Zugpferd die notwendige Persönlichkeit mitbringt, die Spielstärke ist für mich nur sekundär. Es bringt mir nichts, wenn ich einen Spieler habe, der Hausnummer auf Platz 150 der Weltrangliste steht, aber das Profileben nicht vorlebt. Lieber ist es mir, wenn ich einen Spieler auf Platz 300 habe, der jeden Tag weiß, was er zu tun hat, und versucht das Maximum aus sich herauszuholen. Kleine Talente, die nicht das Maximum geben, haben wir genug und die brauche ich nicht.

Gibt es schon Gespräche für die Position des Zugpferds?
Bis jetzt hat es nur vage Vorgespräche gegeben, entschieden wird noch nichts, weil ich auch noch abwarten möchte wie sich die österreichischen Spieler entwickeln. Aber ich bin nicht abgeneigt ein bis zwei Ausländer in
Gilbert Schaller legt die Weichen für eine erfolgreiche Daviscup-Zukunft.

das System einzubauen, diese müssen natürlich diese Unterstützung voll bezahlen. Wenn, dann möchte ich aber sowieso einen Ausländer, der top ist. Diese haben meistens gute Management-Verträge, dass sie sich das leisten können. Überall anders müssten sie das auch bezahlen.

Besteht für dieses Zugpferd nicht die Gefahr, dass er zu viel Zeit mit schwächeren Spielern trainieren müsste?
Der Spieler hat noch immer die Möglichkeit nach oben zu spielen, denn hier trainiert auch ein Jürgen Melzer oder ein Stefan Koubek. Und unter dem Jahr findet auf den Turnieren sowieso ein internationaler Austausch statt. Für einen Spieler geht aus auch darum sich zu überlegen, wie er das Maximum aus seiner Arbeit herausholen kann. Das gefällt mir beispielsweise an Martin Fischer, der im Aufbau mit den 91er-Jahrgängen genauso trainiert hat wie mit Jürgen Melzer oder Stefan Koubek. Als ich in den Top 20 der Weltrangliste gestanden bin, habe ich auch zeitweise mit Spielern trainiert, die nicht einmal ein ATP-Ranking hatten. Aber ich habe gewusst was ich brauche, und das habe ich mir auch von diesen Spielern holen können.

Haben Sie schon Rückmeldungen von den Spielern zu diesem Konzept bekommen?
Die Spieler, die wissen was sie wollen, werden dem Konzept positiv gegenüber stehen, weil sie die Möglichkeiten sehen, dass sie sich schneller entwickeln können. Sie werden sich nicht nach unten orientieren müssen und die Chance haben, ein professionelles Leben führen zu können, das sie bis jetzt noch nicht zu 100 Prozent gelebt haben. Die Spieler, die mehr vom Talent als von der täglichen Arbeit leben, werden nicht so viel profitieren, aber das sind meistens auch jene, die am Ende hängen bleiben. Auf diese kann ich auch gerne verzichten, weil wir die Qualitätsschraube jetzt ein bisschen enger drehen und einen kleineren Kader haben.

Kann man dieses Konzept auch auf die Damen übertragen?
Von den Mädchen wird es in der Südstadt weniger geben, weil es bei den Mädchen generell nicht möglich ist in so großen Gruppen zu trainieren. Die Damen werden auch auf der WTA-Tour viel individueller betreut, 90 Prozent der Spielerinnen verfügen über einen Coach. Sie brauchen ihn als Bezugsperson. Bei den Mädchen wird der Abnabelungsprozess von der Südstadt viel früher stattfinden. Denn wenn der Erfolg da ist, soll das Mädchen mit ihrem eigenen Coach auf Reisen gehen anstatt in der Gruppe zu bleiben, das passt im Damentennis besser. Da auf die Mädchen also viel spezieller eingegangen wird, ist es auch um einiges schwieriger. Auch bei der Turnierbetreuung: Bei den Herren wird es möglich sein, dass er 15 bis 20 Wochen betreut wird und auch sechs bis zehn alleine fährt, bei den Damen weniger.

Wie werden die Damen und Herren für die Kader ausgewählt?
Der Trainierstab in der Südstadt, der im nächsten Jahr um zwei Personen kleiner sein wird, fällt die Entscheidung. Das Zugpferd wird als erstes ausgewählt, und in der Folge werden intern aus der Südstadt oder extern Spieler eingeladen und beobachtet. Es wird keiner von Anfang an drinnen sein, sondern der Spieler muss sich das erarbeiten. Und wenn er das geschafft hat, wird er eine gewisse Zeit bekommen, sich im Kader zu behaupten. Die endgültige Entscheidung über die Spielerauswahl behalte ich mir aber vor.

Das Gespräch führte Andreas Simon


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