Gilbert Schaller: "Es liegt an uns, dass es wieder besser wird"

Vor dem Jahreswechsel resümierte Sportdirektor Gilbert Schaller noch einmal über die vergangene Saison und blickte auch gleich in die kommende voraus. In Teil 1 spricht er außerdem noch über den Daviscup gegen Deutschland und die Popularität des heimischen Tennissports. In Teil 2 spricht Schaller über die Kaderverkleinerung in der Südstadt und das Sportkonzept 2009.

Herr Schaller, wie sieht Ihre Bilanz für das vergangene Jahr aus der Sicht des ÖTV-Sportdirektors aus?
Ich denke wir können mit dem Jahr zufrieden sein. Bei Jürgen Melzer passt die Entwicklung und für ihn ist sicher noch einiges drinnen. Wir haben momentan zwar nur einen Spieler unter den Top 100, aber ich glaube, dass Stefan Koubek es bald wieder dorthin schaffen wird. Er trainiert hart und hat im Herbst auch schon wieder gute Ergebnisse geliefert. Ich hoffe, dass auch von den anderen bald jemand nach vorne stoßt, wie etwa ein Martin Fischer.

Im Daviscup hat das Jahr mit der 1:4-Niederlage gegen die USA bitter begonnen, dafür ist es umso versöhnlicher zu Ende gegangen: Österreich ist nach dem 3:2-Sieg gegen Großbritannien wieder in der Weltgruppe. Sind Sie als Daviscup-Captain mit dem Jahr zufrieden?
Ja, mehr als zufrieden, denn der Klassenerhalt war ganz klar unser Ziel. In Wien wäre sicher mehr drinnen gewesen, aber vielleicht klappt es ja im März gegen Deutschland einmal mit einem Sieg in der Weltgruppe.

Wie stehen unsere Chancen gegen Deutschland in Garmisch-Partenkirchen?
Wir sind natürlich Außenseiter, aber ich habe kein schlechtes Gefühl, denn die Chancen auf einen Aufstieg sollten besser sein als in den Jahren zuvor. Der Belag und die Höhenlage sind für uns sicher kein Nachteil, meine Spieler haben es gern auf zügigen Plätzen zu spielen. Und auch das Doppel spricht wieder für uns.

Von Nachteil ist es bestimmt auch nicht, dass der Austragungsort nah an der österreichischen Grenze liegt…
Die Deutschen haben zwar erfolgreiche Tennisspieler, aber sie haben im Moment nicht die Spieler, die tausende Fans in die Stadien locken. Sie wollten aber eine volle Hütte und haben deshalb einen möglichst grenznahen Ort gewählt. Es ist eine relativ kleine Halle für 4000 Leute, aber die Stimmung wird sicher gut sein.

Wie schätzen Sie das deutsche Team zurzeit ein?
Für die Deutschen spricht die Geschlossenheit der Mannschaft, und dass sie mit Nicolas Kiefer über einen Angstgegner von Jürgen Melzer verfügen. Ich denke, dass Jürgen fast jeden Gegner schlagen kann, aber gerade bei Kiefer weiß er noch nicht so recht, wie er ihn anpacken soll.

Wie wird das ÖTV-Team nach dem jetzigen Stand aussehen?
Ich bin guter Dinge, dass wir mit dem stärksten Team antreten können. Ich sehe im Moment Jürgen Melzer, Stefan Koubek, Julian Knowle, Alex Peya und Martin Fischer im erweiterten Kader.

Der Name Daniel Köllerer fällt bei seinem derzeitig guten Ranking auch immer wieder…
Im Moment habe ich noch nicht das Gefühl, dass ich mich auf ihn zu 100 Prozent verlassen kann. Im Daviscup ist der Druck sehr hoch, und wenn die Kabeln reißen, dann möchte ich mich nach der Partie nicht für gewisse Dinge entschuldigen müssen. Wenn das volle Vertrauen da ist, dann ist auch ein Köllerer für mich kein Problem mehr.

Trauen Sie ihm den Sprung unter die Top 100 zu?
Den trau ich ihm sicher zu. Seine Ergebnisse zeigen, dass er sich weiterentwickelt hat. Er ist fit, er ist unangenehm zu spielen, aber er muss eben sein Verhalten unter Kontrolle bringen. Da sind mir drei, vier Monate zu wenig. Ich möchte einmal ein Jahr haben, wo ich von keinem Supervisor etwas schlechtes höre, wo ich keine YouTube-Videos von ihm sehe. Eine Verwarnung kann man immer bekommen, aber man muss immer unterscheiden, was passiert ist.

Sprechen wir über die Damen: Wie beurteilen Sie ihre Leistungen in der vergangenen Saison?
Sybille Bammer darf mit ihrer Saison sicher zufrieden sein. Sie hat sich trotz einiger Verletzungen in den Top 30 etabliert. Bei Tamira Paszek gab es 2008 einige Schwierigkeiten, aber ich glaube, dass sie sich bald wieder erfangen wird. Erfreulich sind die Leistungen von Patricia Mayr: Sie hat sich gut weiter entwickelt und steht vor dem Sprung in die Top 100. Auch in St. Anton hat sie mit ihrem Sieg gezeigt, was sie kann. Das war zwar nur ein Preisgeld-Turnier, aber bei den Damen weiß man, dass sie auch bei solchen Spielen nicht allzu gerne verlieren.

Im FedCup ist es leider weniger gut verlaufenÂ…
Da sind wir bestimmt unter unserem Wert geschlagen worden. Bei unserer stärksten Besetzung sollten wir zumindest in der Weltgruppe II stehen. Aber jetzt wird es in der Europa-Afrika-Zone sicher nicht einfach für uns, der Modus kommt uns nicht entgegen. Bei zwei Singles und einem Doppel erhält das Doppel mehr Bedeutung, und das ist nicht unsere Stärke. Andere Nationen sind im Doppel besser besetzt.

Genauso unerfreulich ist das Turniersterben in Österreich: In Kitzbühel und Pörtschach findet definitiv kein Turnier statt, ein Ersatzort für Pörtschach im eigenen Land ist mehr als fraglich. Wie steht es denn wirklich um die Popularität des heimischen Tennissports?
Wir hinken international sicher hinterher. Und ich habe schon erwartet, dass das Turniergeschehen nächstes Jahr stark dezimiert sein wird. Es treffen mehrere Faktoren zusammen: Erstens die Wirtschaftssituation, die größten Sponsoren bei den Turnieren sind eben die Banken und Versicherungen, die von der Wirtschaftskrise am stärksten betroffen sind. Die Turnierorganisatoren müssen also kämpfen, aber nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Zweitens ist die ATP froh, wenn es weniger Turnier gibt.

Wie können wir die Popularität Ihrer Meinung nach steigern?
Indem wir Spieler haben, die den Tennissport gut verkaufen. Und das liegt eben an uns, dass das wieder besser wird. Wenn du Typen hast, die erfolgreich sind und die die Leute interessieren, dann steigt die Popularität - ein gutes Beispiel sind momentan die österreichischen Schispringer. Die populären Spieler gibt es in vielen Ländern, bei uns plätschert es momentan leider ein bisschen dahin.

Zuletzt sorgte der Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler mit seiner Aussage "Selbst das Testbild hat mehr Zuschauer als Tennis" für Aufregung. Was sagen Sie dazu?
So eine negative Aussage finde ich sehr unpassend: Erstens entspricht das nicht der Wahrheit, und zweitens ist das kein gutes Niveau, vor allem von so einer hohen politischen Ebene. Er hat ja auch noch andere Aussagen getätigt, die gegen die Person Ronald Leitgeb gerichtet waren. Aber es ist egal welche Vorgeschichten da waren, mir geht es vielmehr um das Tennis.

Das Gespräch führte Andreas Simon


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