Turniersieg in Wien: Das unheimliche Comeback des Thomas S.

Der erste Turnierstart seit drei Monaten entwickelte sich für Thomas Schiessling nach anfänglichen Schwierigkeiten zum Triumphzug. Daran konnten auch Martin Schneiderbauers Bemühungen im Endspiel nichts ändern.

Ende März musste sich Thomas Schiessling wieder einmal einer Operation unterziehen, zum insgesamt zehnten Mal am Knie. Weniger als zwei Monate danach entschloss sich der Tiroler dazu, bei der 2. Colony Club Competition in Wien sein Comeback zu geben - trotz Schmerzen: "Ich hab das Knie jeden Tag gespürt. Am letzten Tag war's noch am besten." Das Spielen unter Schmerzen ist für Schiessling fast zur Routine geworden. Davon abgehalten haben sie ihn nicht, nach der Rückkehr auf den Court gleich das erste Turnier zu gewinnen. Am Donnerstag Abend besiegte er im 14. Wiener Gemeindebezirk im Finale Martin Schneiderbauer mit 6:3, 6:1 und sicherte sich damit die für den Sieger vorgesehenen 1.296 Euro. Für ihn war's der bisher größte Preisgeld-Scheck in einer Saison, die Vollblutprofi Schiessling zuvor selbst als "Katastrophenjahr" bezeichnet hatte.

Die "schnellste Vorhand Österreichs" war zu wenig
Perfektes Wetter und die Aussicht auf Spitzentennis lockte zahlreiche Zuseher zum Colony Club, um dem Finale beizuwohnen. Im ersten Satz wurde es den Erwartungen gerecht: viele lange Ballwechsel, die Schiessling großteils für sich entschied. In der frühen Phase des Spiels verabsäumte es Schneiderbauer, den Anschluss zu wahren, er vergab Chancen aufs 2:4. Der Oberösterreicher setzte zur Aufholjagd an, verkürzte noch auf 3:5, ehe Schiessling den ersten Satz beendete. Weil er laut eigenen Aussagen die Sinnlosigkeit erkannte, mit Schiessling die langen Rallies zu gehen, änderte der 24-Jährige die Taktik und suchte das Risiko. Auch mit diesem Rezept war "Schneizi" aber trotz einiger strammer Winner kein Erfolg beschieden. "Leider hab ich dabei zu viele Fehler gemacht. Aber dafür hab ich gezeigt, dass meine Vorhand die vielleicht schnellste Österreichs ist", scherzte Schneiderbauer nachher.

Ein Weckruf zur rechten Zeit
Zu Mittag waren in Wien-Penzing die Semifinali ausgetragen worden. Schneiderbauer entzauberte Stefan Hirn in dessem ersten Halbfinale seit August mit solidem, fehlerarmen Tennis. "Brain" wurde vor allem vom ersten Aufschlag im Stich gelassen und unterlag mit 4:6, 1:6. "War ja Zeit, dass ich die 1:5-Bilanz gegen ihn aufbessere", lachte "Schneizi". Im zweiten Semifinale schlug Schiessling Südstädter Christian Kloimüllner 6:1, 6:2. Der tapfer kämpfende Überraschungsmann hielt in der 80-minütigen Partie besonders eingangs des zweiten Sets dagegen, vergab aber zwei Chancen aufs 3:1 und war danach chancenlos. Das waren weitgehend auch Schiesslings vorangegangene Gegner - bis auf David Simon, gegen den er mit 2:6, 0:2 und 0:30 zurück gelegen war: "Da hätte es auch rasch vorbei sein können, wenn ich da nicht gerade rechtzeitig begonnen hätte, richtig gut zu spielen." Ab dem kritischen Zeitpunkt in Runde eins spielte Schiessling fast aus einem Guss, zeigte das, was ihn am Platz seit jeher auszeichnet: so etwa der Kampf um jeden Ball und der in seiner Effektivität unerreichte Topspin.

"Turniersieg zu erwarten, wäre vermessen gewesen"
Läppische 17 Games ließ Schiessling seinen letzten vier Gegnern. Für Gesprächsstoff sorgte der 32-Jährige zudem vor dem Turnier mit der Aussage "In meiner Situation rechne ich sicher nicht mit dem Turniersieg." Diese Worte verteidigte "Hackertom" auch nach dem Event trotz seiner augenscheinlichen Überlegenheit: "Viele werden meinen, das war Understatement. Ich finde, es wäre geradezu vermessen gewesen, wenn ich nach Wien gefahren wäre und nach drei Monaten Pause gesagt hätte, ich gewinne sowieso. Ich hätte nur noch verlieren können. Und das wäre in Runde eins auch fast passiert." Die Freude über das sensationelle Comeback war bei Schiessling jedenfalls groß: "Das ist natürlich ein ganz besonderer Turniersieg." Für den Innsbrucker geht es nun weiter nach Oberösterreich zum 35. Schalchner Pfingstturnier. Schneiderbauers und Hirns nächste Station sind die Oberösterreichischen Landesmeisterschaften in Ottensheim.

Tommy Schiessling und Martin Schneiderbauer mit einem flotten Schlitten, der dem Sieger für ein Wochenende zusteht.


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