"Ich hätte keine Angst vor einem Vergleich"

Jahresbilanzen 2005 - Teil 33: Tina Schiechtl erzählt im tennisweb.at-Interview über die Erleichterung nach einem Turniersieg, FedCup-Ambitionen und die Zukunft von Stefan Koubek.

Tina, die klassische Eröffnungsfrage: Wie zufrieden bist du mit der vergangenen Saison?
Ich hab mich von 480 auf fast 250 gesteigert, da kann man schon ziemlich zufrieden sein. Aber natürlich ist es immer so, dass ein bisschen mehr geht, dass man ab und zu ein paar Punkte liegen lässt.

Du sprichst da vielleicht Mexiko an, wo du eigentlich sehr gut in Form warst, aber wo dir etwas ziemlich Kurioses passiert ist …
Ja, genau. Da sind mir die Schläger irgendwo im Laufe des Flugs verloren gegangen, ich musste mir andere kaufen - weil's ja in Mexiko natürlich keine Sportastic-Rackets im Sportgeschäft gibt -, und damit ist gar nix gegangen. Wenn dieses Missgeschick nicht passiert wäre, würde ich vielleicht schon unter den besten 250 stehen.

Was hast du denn heuer anders gemacht als vergangene Saison, wo du ja sogar mit dem Aufhören spekuliert hast?
Der Unterschied liegt schon in der Vorbereitung auf das heurige Jahr. Ich hab im vergangenen Jahr hauptsächlich Kraft trainiert, heuer haben wir den Schwerpunkt auf die Schnellkraft gelegt.

Das hat ja offenbar auch gut geklappt – denn im Februar hast du nach zweieinhalb Jahren wieder einen Turniersieg geholt. Wie groß war da die Erleichterung, den Beweis zu haben, dass es doch noch geht?
Die war natürlich sehr groß. Aber auch die Überraschung. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass es mit einem Turniersieg so bald in diesem Jahr klappt, nach dieser Saison 2004, wo ja wirklich viel schief gelaufen ist.

Im September hast du dann noch das 25.000er in Porto für dich entschieden, dazu warst du Anfang März auf Gran Canaria einmal im Endspiel. War das, besonders im Rückblick auf 2004, vielleicht sogar deine beste Saison?
Nein, definitiv nicht. Ich war ja mit 18 Jahren schon Top 250, das kann man nicht so schnell überbieten. Aber das Jahr war natürlich nicht schlecht. Besonders über den Sieg in Porto hab ich mich gefreut. Der Sieg im Finale gegen Dominguez-Lino, die jetzt unter den besten 80 steht – der hat mir gezeigt, dass ich's kann.

Und wie soll's 2006 weitergehen?
Zuerst will ich einmal so schnell wie möglich den Sprung unter die 200 schaffen, auch an die besten 150 will ich mich zumindest heran arbeiten. Hätte ich heuer einige enge Partien mehr gewonnen, wäre ich da natürlich schon einen riesigen Schritt weiter.

Wie gewinnt man diese Partien – ist das eine mentale Geschichte?
Hauptsächlich spielt sich das natürlich im Kopf ab. Du musst dich in den entscheidenden Situationen trauen, das Risiko zu nehmen, egal wo der Ball hingeht. Dazu muss man aber natürlich die Sicherheit kriegen, und dazu braucht man einmal einen kleinen Lauf. Aber der kommt irgendwann von selber, wenn man gut arbeitet.

Ein Zitat aus der Bilanz vom Vorjahr: „Zumindest unter den ersten 200 will ich in einem Jahr stehen, sonst macht das Profitennis keinen Sinn mehr. Ich will meinen Eltern ja nicht ewig auf der Tasche liegen.“ Jetzt stehst du auf 263 - wie siehst du’s jetzt?
2006 probier' ich es auf alle Fälle noch einmal. Ich hab dieses Ziel zwar nicht erreicht, aber das sehe ich nicht ganz so eng. Die Ausgangsposition ist in diesem Jahr auch viel besser als vor 12 Monaten.

Apropos Finanzen: Man hört so oft, dass Spieler mit einem Minus aussteigen. Wie ist es dir da ergangen?
Ich bin ziemlich pari ausgestiegen. Das hab ich allerdings vor allem dem Salzburger TC zu verdanken, wo ich Meisterschaft spiele. Ohne diese finanzielle Hilfe würde es ganz schwierig werden.

Und daneben müssen die Eltern noch immer in die Tasche greifen?
Nein, ich habe mir heuer alles selber finanziert. Klar, verdient hab ich nix, aber wenigstens kann ich das Training und alles weitere selber zahlen.

Themenwechsel: Du bist im Moment österreichische Nummer vier, warst heuer sogar einige Zeit Nummer drei. Wie steht’s da um Ambitionen auf einen FedCup-Platz?
Der ist eigentlich überhaupt kein Thema. Ich glaube, da ist speziell nach Sybilles Rückkehr das Team ziemlich fix. Da müsste ich schon einen ordentlichen Lauf kriegen, um rein zu kommen. Noch dazu muss man abwarten, wie schnell die Babsi Schwartz wieder nach vorne kommt.

Wie schätzt du dich ein im Vergleich mit Bammer, Meusburger oder Paszek?
Ich würde sehr gerne mal wieder den Vergleich suchen. Ich hätte keine Angst, denn ich kann jederzeit auch gewinnen gegen die drei. Wobei man Sybille sicher herausheben muss: Ihr muss man schon hoch anrechnen, wie sie nach ihrer FedCup-Abreise allen gezeigt hat, was sie drauf hat.

Du trainierst nach wie vor bei Günter Bresnik. Mit wem trainierst du dort?
Ich hatte in letzter Zeit öfters Einzeltraining mit Günter. Sonst spiel ich meistens mit irgendwelchen Burschen. Und natürlich mit Babsi Schwartz.

Wird deinem Stallkollegen Stefan noch einmal das Comeback gelingen?
Da spielt sich sehr vieles im Kopf ab. Wenn er noch einmal richtig reinbeißt, wird er das sicher schaffen, denn dass er Tennis spielen kann, hat er ja nicht nur einmal bewiesen. Vielleicht nimmt er’s teilweise etwas locker, ein Jürgen Melzer klemmt sich da ein bisschen mehr rein, glaube ich.

Wann startet dein Jahr 2006?
Im Jänner geht’s für mich wahrscheinlich in die USA, zu einem 25.000er und 50.000er. Und im Februar starte ich beim WTA-Turnier in Bogota, da ich dort durch ein Special Exempt in den Hauptbewerb komme.

Probierst du’s auch einmal mit einer Grand Slam-Quali?
Auf jeden Fall! Das ist eines der großen Ziele für 2006. Gerne hätte ich schon die Australian Open gespielt, das geht sich aber mit meinem Ranking wohl nicht aus. Aber wenn ich dann bei den French Open die Chance habe, spiel ich sicher mit. Denn es ist auch fürs weitere Leben schön, einmal bei einem Grand Slam gespielt zu haben.

Interview: Andi Pernsteiner




zurück zur Übersicht