"Es war wie in einem Horrorfilm"

Jahresbilanzen 2005 - Teil 30: Eva-Maria Hoch über ihren nigerianischen Schutzengel, finanziellen Druck und die steigende Formkurve.

Eva, nach 18-monatiger Wartezeit hast du Anfang Dezember beim Future von Raanana in Israel wieder ein Semifinale erreicht – ausgerechnet im letzten Turnier des Jahres. Wie war’s?
Echt schön! Vor allem hab ich gesehen, dass ich wieder voll dabei bin und die viele Arbeit auch Früchte trägt, das macht mich für 2006 wieder zuversichtlich.

Was war in Israel anders, dass es dort so gut geklappt hat?
In den letzten Monaten habe ich in der ESTESS-Akademie in Seefeld noch härter trainiert als vorher. Aber am wichtigsten war, dass ich endlich einmal längere Zeit verletzungsfrei geblieben bin, nach den langwierigen Problemen mit einer Hüftgelenksentzündung und einer Knöchelverletzung. Wenn nichts weh tut, macht das Spielen natürlich viel mehr Spaß, man spielt lockerer und besser. Dann sind zuerst im Doppel ein paar Erfolge gekommen, da hab ich heuer zwei Turniere gewonnen, das hat ein bisschen Preisgeld gebracht – und vor allem Selbstvertrauen.

Du hast im Halbfinale von Raanana gegen Tzipora Obziler aus Israel, die WTA-Nummer 132, mit 6:2, 6:2 verloren. Was fehlt dir, um auch solche Gegnerinnen schlagen zu können?
In erster Linie die Ruhe. Ich will gegen solche Spielerinnen einfach zu viel, will zu genau spielen, riskiere zu viel. Und dann passieren natürlich blöde Fehler.

Die Ruhe hat scheinbar ein bisschen auch zu Saisonbeginn gefehlt. Da warst du verletzt, hast aber trotzdem viele Turniere gespielt – und bei 26 Turnieren 14-mal in der ersten Runde verloren. Warum hast du nicht einfach einmal pausiert?
Im Nachhinein war es sicherlich ein Fehler, dass ich so früh wieder angefangen habe. Dazu kommt: Wenn du ständig verlierst, gehst du schon mit einer ganz anderen Einstellung in ein Spiel. Dann kommen auch noch negative Feedbacks dazu, die Berichterstattung in den Medien, das zehrt alles zusätzlich am Selbstvertrauen.

Du bist viel gereist in diesem Jahr: Nigeria, Libanon, Israel, Russland, Schweden. Wie finanzierst du das?
Das Geld ist einer der Gründe, warum es heuer nicht so gut gelaufen ist. Seit mein Vater seinen Job bei der FIS aufgegeben hat, ist der finanzielle Druck größer geworden, und diesen Druck spür’ ich natürlich auch auf dem Platz. Jetzt bin ich intensiv auf Sponsorensuche.

Wer hat dich auf deinen Reisen begleitet?
Ich war meistens alleine unterwegs. Man findet eh immer Leute, mit denen man trainiert und die Zeit verbringt. In Israel zum Beispiel war das meine deutsche Doppelpartnerin Carmen Klaschka.

Wer so viel reist, noch dazu meistens alleine, darf kein ängstlicher Typ sein. Ist das nicht manchmal auch gefährlich?
In Nigeria habe ich echt einen Schutzengel gehabt! Ich bin da mit dem Spielerbus vom Klub Richtung Hotel gefahren. Auf dem Weg haben uns immer zwei Sicherheitsmänner mit dem Motorrad begleitet, die sollten uns vor Überfällen schützen. Es hat dann ganz plötzlich vor uns ein Moped die Straße überquert, sodass die Sicherheitsleute und der Busfahrer voll bremsen mussten. Dann sind auf einmal fünf Leute aufgetaucht, haben sich auf die Securities gestürzt und sie vor unseren Augen mit Autoreifen und Holzstücken attackiert. Es war ein Horrorfilm, der nicht im Fernsehen, sondern drei Meter vor uns passiert ist.

Was war mit euch?
Der Busfahrer ist natürlich total hektisch geworden, denn hinter uns sind schon wieder Autos gekommen, und vor uns sind die zwei Securities verletzt am Boden gelegen. Wir sind mit Vollgas retour gefahren und in ein Auto gecrasht. Irgendwie hat es der Fahrer dann auf einen anderen Weg geschafft. In solchen Situationen wünscht man sich nichts mehr, als wieder zuhause zu sein.

Hast du erfahren, was aus den Sicherheitsleuten wurde?
Einer von den beiden war schwer verletzt, der Zweite wurde auf offener Straße ermordet – direkt vor meinen Augen. Das war echt schwer zu verkraften. Ich habe lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Nach so einem Erlebnis schätzt man erst, wie gut es einem hier geht.

Wirst du in Länder wie Nigeria überhaupt noch reisen?
Mein Turnierkalender für 2006 steht noch nicht fest. Ich werde aber viele Turniere in den Nachbarländern spielen. Nicht unbedingt wegen der Rahmenbedingungen, sondern weil es mit dem Auto ganz einfach billiger kommt. Da sind die drei neuen Futures in Österreich auf jeden Fall eine Hilfe.

Deine Ziele fürs nächste Jahr?
Am wichtigsten ist es, endlich einmal gesund zu bleiben. Ich will konstant gute Leistungen bringen, dann gehtÂ’s im Ranking ohnehin nach oben.

Wann willst du den nächsten Schritt machen und zu Challengers übergehen?
Womöglich noch im Frühjahr. Nicht nur wegen der Punkte, sondern auch wegen der höheren Attraktivität bei Sponsoren.

Seit September bist du mit deinen TC Altenstadt-Vereinskolleginnen Yvonne Meusburger und Patricia Mayr in Seefeld in einer Trainingsgruppe. Wie gefällt es dir dort?
Wir trainieren zweimal am Tag bei Hakan Dahlbo. Es passt perfekt. Wir haben Spaß, das Klima im Team ist harmonisch. Die harte Arbeit beginnt mehr und mehr Früchte zu tragen, deshalb auch der Aufwärtstrend zum Ende der Saison.

Was traust du den beiden in Zukunft zu?
Yvonne wünsche ich ein gutes Ergebnis in Australien, mit einem guten Saisonstart sind die Top 100 leicht möglich. Die Patricia ist derzeit unglaublich drauf. Sie wird’s im nächsten Jahr bei Challengers probieren. Durch ihr schnelles Spiel kann sie auch gegen sehr gute Spielerinnen bestehen.

Und wie weit wird’s deine jüngste Vereinskollegin Tamira Paszek im nächsten Jahr bringen?
Die Tamira ist echt stark, erst vier Turniere gespielt und schon unter den besten 350! Sie arbeitet mehr als hart, spielt ohne Druck und ist für ihr Alter schon extrem reif. Vorne ist es natürlich noch um einiges härter, die Top 150 sind aber schon denkbar.

Der direkte Link zur Activity von Eva-Maria Hoch.

Interview: mk




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