Stefan Koubeks Annus Horribilis

Jahresbilanzen 2005 - Teil 22: 2005 ging für den Kärntner schief, was schief gehen kann. Und mehr.

Am 22. Dezember 2004 sorgte Koubek mit Eintrag Nummer 199 in seinem tennisweb.at-Tagebuch für Aufsehen: „Ich wurde gestern von der ITF wegen der Einnahme unerlaubter Mittel für drei Monate gesperrt.“

Pause 1: ITF-Sperre
Schnell stellte sich heraus, dass Koubek völlig schuldlos war – ein Wiener Arzt, ein anerkannter Spezialist, hatte ihm eine Spritze verabreicht, in der ein entzündungshemmendes Mittel enthalten war. Koubek hatte ausdrücklich nachgefragt, ob die Spritze sicher bedenkenlos sei …
Österreichs oberster Dopingjäger Dr. Karlheinz Demel übernahm Koubeks Verteidigung vor dem Tribunal des Welt-Tennisverbandes ITF, eine Drei-Monats-Sperre konnte aber auch er nicht verhindern. Wesentlichster Grund für die Sperre: Koubek, so die Ansicht der ITF, hätte der Auskunft des Arztes nicht glauben dürfen, einen anderen Arzt befragen müssen.

Pause 2 & 3: Grippe, Meniskus
Die dreimonatige Sperre nützte Koubek für weiteres Aufbautraining – bis ihn eine Grippe erwischte. Und bis Ende Februar das Knie schmerzte – der rechte Meniskus musste operiert werden. Bei der Operation wurde zudem eine Beschädigung des Knorpels entdeckt.
Rehab, Mitte März Rückkehr auf den Tennisplatz, Ende März nach vier Monaten Turnierpause in Miami das Comeback auf die Tour. Dort ging es mehr ums Schnuppern von Turnierluft und um die Wiederaufnahme in den Circuit als um Erfolge: Das herzliche „Nice to have you back“ von Gaudio oder Grosjean zählte mehr als die aalglatte Niederlage gegen Morrisson. Koubek in seinem Tagebuch: „Ich hab echt vergessen gehabt, wie schnell Tennis sein kann …“
Anfang April humpelte er in Runde zwei von Valencia. Mitte April war das Knie wieder halbwegs okay, in Monte Carlo gelang über Mahut der erste wertvolle Sieg.
Das Schlimmste schien überstanden.
Doch dabei sollte es erst beginnen.

Pause 4: Lungenentzündung
In Barcelona wurde der Aufwärtstrend jäh unterbrochen: 2:6, 1:6 gegen Thomas Johansson am 18. April. „Ich hab offenbar einen Virus gefangen“, vermutete ein verkühlter, fiebernder, hustender Stefan Koubek.
Der Husten wollte nicht und nicht verschwinden – der Grund dafür stellte sich zwei weitere verlorene Wochen später heraus, Anfang Mai: Lungenentzündung, Einlieferung ins Spital, wieder Pause. Langsam begann der Druck der Punkte zu wachsen, die ihm Woche für Woche aus der Wertung fielen. Koubek verlor Platz um Platz im ATP-Ranking. Zuerst nur langsam. Doch schnell genug, um so unruhig zu werden, dass er hastig auf die Tour zurück wollte. Er spielte Ende Mai in Roland Garros – ohne Chance auf einen Sieg. „Der Arm war schon im ersten Satz schwer, nach zweimal Hin und Her hab ich gekeucht wie eine Lokomotive.“ Dass er gegen den Russen Tursunov einen Satz gewann, grenzte an ein Wunder.

Pause 5: Knie
Nach Paris gleich die nächste Zwangspause – das Knie hatte sich zurück gemeldet. Übersiedlung ins Nuhr-Zentrum nach Krems zum Aufbau der durch Operation und Krankheiten geschwächten Muskulatur im Bein.
Wieder drei Wochen weg, wieder Comeback: Wimbledon. Runde eins, ohne Matchpraxis und Selbstvertrauen, ohne Glück: 6:8 im fünften Satz gegen Qualifikant Udomchoke, nachdem Koubek im fünften Satz zweimal mit einem Break geführt hatte. „Der Grund für die Niederlage war nicht mangelnde Fitness oder Trainingsrückstand oder zuwenig Matchpraxis – ich war einfach zu blöd, meine Chancen zu nützen.“
Zwei Wochen später, Gstaad: 6:7 im dritten gegen den starken Italiener Andreas Seppi. „Diesmal hat einfach das Glück gefehlt.“
Immer mehr Punkte gingen verloren, immer mehr Plätze.

Saisonstart Mitte Juli
Es war Mitte Juli, als Koubek gesund und fit genug war, ernsthaft an Tennis denken zu können. Nach sieben verlorenen Monaten.
Der Druck der Punkte stieg weiter Woche für Woche; die Leistungen wurden trotzdem besser: In Kitzbühel spielte Koubek gegen Armando und Christophe Rochus stark, in Cincinnati schlug er Morrison und Giovanni Lapentti, überfuhr Ferrero einen Satz lang – um nach einem 6:0-Auftakt doch noch zu verlieren. In New Haven schien der Durchbruch wieder geschafft: Drei Siege in der Quali, ein tolles 4:6, 7:5, 7:5 über Frankreichs Jung-Superstar Monfils.

Superherbst von 2004 als Hypothek
Ende August, Beginn des letzten Saisonviertels. Nun explodierte der Druck auf Koubek, der die Hypothek des sensationellen Herbstes 2004 zurück zahlen musste – keine Raten möglich. „Der Druck“, sagte er, „ist brutal. Du willst ihn wegschieben, aber du schaffst es nicht. Du denkst Tag und Nacht nur mehr daran, dass du vielleicht bald auf Platz 300 stehst.“
Verzweifelte Versuche, Punkte zu holen: Für ein Turnier nach Tokio, für ein Turnier nach Peking. Dort führte er gegen Moya, verlor Match und wichtige Punkte. In Tokio ein 6:7 im dritten Satz gegen den Deutschen Phau, der dort sein Turnier des Jahres spielte. Beim Daviscup eine 2:0-Satzführung gegen Nicolas Lapentti vergeigt, dann in Wien der Tiefpunkt gegen Lisnard. Flucht aus der Halle. In Basel 8:10 im Tiebreak des dritten Satzes gegen Mackin verloren, in Paris-Bercy ein 11:13 im Tiebreak gegen Seppi.
„Ich weiß ehrlich nicht mehr, wie man eine Partie gewinnt.“
Absturz im Ranking.

“... kann nichts mehr erschüttern“
Koubek kämpfte trotzdem weiter. Wechselte auf die Challenger-Tour. Und begann dort, wieder zu lernen, wie man Tennismatches gewinnt. Zwei Siege und Viertelfinale in Bratislava. Drei Siege und Semifinale in Helsinki, sein erstes in diesem Jahr, danach Viertelfinale in Luxemburg mit Siegen über Santoro und Schüttler, in St. Anton am Arlberg Finale – dass ihn dort wieder eine Verkühlung beim ersten Duell mit Jürgen Melzer stoppte, mag als Ironie des Schicksals verstanden werden.
„Wer so ein Jahr übersteht“, sagt er, „den kann nichts mehr erschüttern. Ich will’s mir in erster Linie selbst beweisen, was ich noch drauf hab.“

Der direkte Link zur Activity von Stefan Koubek.

sw





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