Quereinsteigerin ohne Heimweh

Jahresbilanzen 2005 - Teil 16: Anna Bartenstein wurde nur von einer Verletzung am Sprung unter die Top 500 gehindert. Warum sie ihre Karriere in den USA vorantreibt, erzählte sie tennisweb.at.

Anna, du wurdest im Februar erst 17 und hast heuer den Schritt ins Damentennis sehr gut geschafft: erste WTA-Punkte geholt, knapp an die Top 500 herangearbeitet. War das zu erwarten?
Erwartet kann man nicht sagen. Aber mein Ziel für heuer war es, die Top 500 zu erreichen. Das hätte ich wohl auch geschafft, nur leider hat mich dann eine Verletzung gestoppt.

... und zwar?
Einen Ermüdungsbruch im Schienbein, deshalb habe ich meine letzten drei Turnierstarts leider absagen müssen.

Wann ist das passiert?
Ich habe in Mexico City Mitte November das Achtelfinale erreicht, dort dürfte es passiert sein. Danach hab ich mich in Puebla noch in der Qualifikation versucht, da waren aber die Schmerzen schon zu groß. Bei einer Untersuchung wurde dann der Bruch diagnostiziert. Das war das vorzeitige Saisonende.

Das ist jetzt einen Monat her. Wie lange musst du noch pausieren?
Das wird man sehen, aber ich hoffe, dass ich Anfang Jänner wieder spielen kann. Da würden schon zwei Challenger warten, bevor ich bei den Australian Open das Juniorenturnier spielen möchte.

Du hast heuer deinen ersten Sieg in einem Hauptbewerb bei den Damen geholt. War das ein besonderes Erlebnis für dich oder ein Sieg wie jeder andere?
Es war schon ein ganz besonderer Sieg. Aber das schönste Erlebnis heuer war das Viertelfinale beim 50.000er in Juarez aus der Quali heraus.

Fast wäre es noch mehr geworden, du hast gegen die Nummer eins nur knapp verloren, immerhin die Portugiesin Piedade, die in den Top 200 steht. Ist man da nicht etwas verärgert, den Sieg am Schläger zu haben, aber dann doch zu verlieren?
Klar hab ich mich geärgert. Ich bin schließlich schon mit 6:4, 6:5 und 40:15 vorne gelegen. Aber im Nachhinein freut man sich schon über so einen Erfolg mehr als man sich ärgert.

Deine Ziele für 2006?
Natürlich so weit wie möglich nach vorne zu kommen. Wenn es läuft wie geplant, sollten die Top 300 oder 200 schon drinnen sein. Ich will mich auf der Challenger-Tour etablieren, dazu sind die Junioren-Grand Slams ein großes Ziel.

Aber dein Hauptaugenmerk liegt auf der Damentour?
Auf jeden Fall. Dort will ich möglichst schnell mein Ranking verbessern, denn auch über das kommt man in die Junioren-Grand Slams hinein.

Wie ist der Niveau-Unterschied zwischen den Junioren- und Damen-Turnieren?
Man merkt bei den „Großen“ einfach, dass alle viel mehr Erfahrung haben. Sie sind deswegen mental auch viel stärker, da gibt’s einfach keine deutlich unkonzentrierten Phasen mehr und deshalb auch nicht so viele Fehler.

Du bist nach Tamira Paszek wohl die größte österreichische Newcomerin des Jahres 2005. Dennoch wird deinen Erfolgen weit weniger Beachtung geschenkt. Stört dich das?
Eigentlich nicht. Ich hab natürlich gemerkt, dass man über Tamira sehr viel geschrieben hat und man über meine Erfolge kaum etwas. Aber ich bin da überhaupt nicht eifersüchtig. Es liegt sicher auch daran, dass ich in Amerika viel weiter weg bin.

Dort trainierst du seit etwa eineinhalb Jahren in der Nick Bollettieri-Academy in Florida. Was ist der große Vorteil?
Das ganze Umfeld. Ich hab tolle Trainingspartner und mit Mauricio Hadad, einem ehemaligen Top 80-Spieler, auch einen tollen Coach. Er hat mir im letzten Jahr enorm weitergeholfen. Mein Spiel ist viel sicherer geworden, und mein Aufschlag hat sich zu einer richtigen Waffe entwickelt.

Wie oft siehst du eigentlich Bollettieri persönlich?
Ich weiß, dass er quasi immer da ist. Aber mit ihm persönlich trainiere ich eigentlich selten.

Was ist beim Training mit ihm besonders?
Man ist mit ihm noch motivierter als sonst. Aber ansonsten ist es so, dass der ganze Trainerstab die gleiche Philosophie hat wie Nick selber. Da ist jeder einzelne gut.

Begleitet dich Mauricio Hadad auch zu den Turnieren?
Nein, mit ihm trainiere ich nur in der Academy selber. Zu den Turnieren fährt meine Mutter mit.

Kommt man in der Academy auch mit den großen Stars in Berührung?
Vor kurzem war Maria Sharapova hier. Auch Mary Pierce, Nicole Vaidisova oder Tommy Haas sieht man öfters. Aber die trainieren alle nur mit den starken Burschen.

Hast du auch schon mit bekannteren Leuten trainiert?
Ich trainiere ebenso meistens mit gleichaltrigen Burschen. Auch mit Jamea Jackson spiele ich öfters, die ist im Moment WTA-Nummer 80.

Hast du Heimweh? Vermisst du die Steiermark?
Ãœberhaupt nicht. Ich habe Freunde hier, meine Mutter wohnt auch mit mir hier in Florida. Und das Umfeld ist einfach unglaublich gut.

Gibt’s schon einen Plan, wie lange du drüben bleibst?
Nein, aber ein paar Jahre wird’s wohl schon noch sein. Wie gesagt, das Umfeld ist toll und auch die Turniere in Südamerika lassen sich von hier aus perfekt bereisen.

Ein anderes Thema: Dein Ex-Trainer Oliver Ibel hat einmal gesagt, du bist der weibliche Thomas Muster. Was hältst du von diesem Vergleich?
So würd ich das vielleicht nicht sagen. Aber ich trainiere auch sehr hart und verbissen, bin körperlich sehr stark. Aber ansonsten würde ich mich nicht mit ihm vergleichen.

Wie oft hast du eigentlich Kontakt zu deinem bekannten Onkel, Bundesminister Martin Bartenstein?
Ich telefoniere regelmäßig mit ihm. Und wenn ich in Österreich bin, besuche ich ihn gemeinsam mit meiner Familie eigentlich auch immer. Er ist genauso wie mein Vater sehr am Leistungssport interessiert, daher beobachtet er natürlich auch meine Karriere ganz genau.

Der direkte Link zur Activity von Anna Bartenstein.

Interview: Andi Pernsteiner




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