"Ich war immer eine Trainingsweltmeisterin"

Jahresbilanzen 2005 - Teil 4: Nicole Remis spricht im tennisweb.at-Interview über ihr Abschneiden in Linz, die Atmosphäre bei nationalen Turnieren und warum das Niveau unter den Top 100 eigentlich gar nicht so hoch ist.

Dein Saison-Highlight in Linz ist erst wenige Woche her. Dort hast du eine wirklich tolle Quali gespielt, in der ersten Runde sogar die damalige Nummer 137 geschlagen. Wieviel Prozent deines Leistungsvermögens hast du da gebracht?
Es klingt jetzt vielleicht blöd, wenn ich das so sage: Aber die Leistung gegen Pastikova in Runde eins war nicht einmal so überragend. Ich habe viele Bälle zu spät getroffen, auch taktisch war’s nicht so toll. Eine wirklich gute Leistung hab ich dann gegen Babsi Schwartz gebracht. Da hab ich wirklich dominiert, war vom Spielerischen und vom Taktischen her auch so wie ich es wollte. Leider hat sie ja dann im zweiten Satz aufgeben müssen …

Hast du dort irgendwas gefunden, was dir in Zukunft hilft, diese Leistungen öfter bringen zu können?
Das ist ganz einfach: Ich bin nach Linz gefahren, wollte nur Spaß haben und die tolle Atmosphäre genießen. Das hat man in den ersten beiden Matches auch deutlich gemerkt. Ich bin am Platz gestanden und hab einfach nur gespielt. Aber im dritten Match gegen Strycova hat sich das schon wieder geändert.

Inwiefern?
Da ging's plötzlich nicht mehr um den Spaß. Da bin ich ins Match gegangen und wollte gewinnen. Und schon war ich verkrampft und hab einfach nicht mehr gut gespielt.

Wie würdest du das Niveau dort beurteilen, vielleicht auch im Vergleich zu einem herkömmlichen ÖTV-Turnier?
Ich war überrascht, aber so toll war das gar nicht. Ich hab da Spielerinnen gesehen, die auf 60 oder 70 stehen, die mich gar nicht so begeistert haben.

Wie meinst du das?
Vom Spielerischen her und auch davon, wie sie körperlich beinander sind. Wenn du mir bei einigen gesagt hättest, sie sind um die 300, hätt ich’s auch geglaubt. Vor dem Turnier hätte ich gedacht, Leute um die 80, 90 oder 100 spielen deutlich besser. Die absoluten Topleute sind aber natürlich nicht umsonst top, das sieht man ganz deutlich.

Wo ist dann der Unterschied zwischen 300 und 80?
Die sind einfach im Kopf so stark, dass die das, was sie tagtäglich trainieren, auch durchziehen und besser umsetzen können. Das ist auch der größte Unterschied zu mir – ich war halt immer eine Trainingsweltmeisterin.

Ist das einfach eine Gabe, die man in die Wiege gelegt bekommt, oder kann man sich diese mentale Härte auch irgendwie antrainieren?
Das hat man grundsätzlich oder man hat es nicht. Eine Ausnahme sind vielleicht die Russinnen. Die kämpfen sich einfach hoch, weil das eine Möglichkeit ist, sich in der Gesellschaft hochzuarbeiten. Da gibt es extrem viele, die mit mir gemeinsam vor einigen Jahren noch bei Challengern gespielt haben, und die ich jetzt schon in WTA-Hauptbewerben gesehen habe.

Warum strengt man sich bei uns nicht so an?
Vielleicht geht es uns auch ein bisschen zu gut, dass wir diese Härte nicht haben.

Das heurige Jahr ist in deinem Fall ja in zwei Kategorien einzuteilen – national und international. National klappte es wirklich toll, international - mit Ausnahme Linz - nicht ganz so gut. Wie lautet dein Resümee?
Ich habe ja international eigentlich kaum gespielt. Deswegen kann man da gar kein großartiges Resümee ziehen. Dabei ist es teilweise einfach blöd gelaufen. Es war einige Male knapp, und diese Spiele hab ich halt nicht gewonnen. Mir hat nach dem Aufbautraining, das ich vor Saisonbeginn gemacht habe, einfach die Matchpraxis gefehlt.

Und national?
Ja, da habe ich schon gut gespielt und bin natürlich zufrieden. Trotzdem gab es da schon zwei oder drei Partien, die ich nicht verlieren hätte dürfen.

Wie ist das Umfeld bei den ÖTV-Turnieren?
Ich habe die Atmosphäre dort viel lockerer erwartet, stattdessen sind die Mädels dort total übermotiviert. Ganz anders als bei den Herren, wo alles viel entspannter ist. Bei den Damen spielen einige total verbissen, obwohl sie daneben einen Beruf haben, wo sie ohnehin ihr Geld verdienen. Würden sie das nicht tun, könnte ich es ja verstehen. Aber ich habe mir teilweise nur mehr gedacht: 'Wir sind hier doch nicht bei einem Grand Slam-Finale.'

Wie bist du heuer finanziell ausgestiegen? Im Vorjahr hast du ja geklagt, dass du weit mehr investierst als du hereinbekommst Â…
Es war heuer ganz okay. Ich habe ja durch die wenigen internationalen Sachen auch eher wenige Ausgaben gehabt. Ich bin teilweise nur ein paar Minuten zu Turnieren gefahren. Da lebt es sich natürlich schon leichter, als wenn du im Ausland spielst und dir dort schon für einige Tage zumindest ein Quartier zahlen musst.

Wir haben das letzte Interview mit dir erst vor gut einem Monat bei der BA-CA-Tennistrophy geführt. Damals hast du angekündigt, dass du nach Linz eine Entscheidung triffst, wie es mit dir weitergeht. Hast du die Entscheidung schon getroffen?
Nein, nicht wirklich. Ich hatte am Freitag ein Gespräch, wo es um finanzielle Angelegenheiten gegangen ist, was natürlich ein wichtiger Faktor ist. Das ist ganz gut verlaufen, allerdings habe ich selber einfach noch keine Entscheidung getroffen. Mehr will ich dazu nicht sagen

Könntest du dir nach deiner aktiven Karriere vorstellen, auch als Trainier zu arbeiten?
Auf jeden Fall! Ich habe vor kurzem deswegen auch mit meiner Tennistrainer-Ausbildung begonnen, hatte erst voriges Wochenende bei Hari Mair eine richtig große Prüfung, die ich zum Glück geschafft habe.

Was willst du mit dieser Ausbildung später genau machen?
Ich hab auf jeden Fall einmal vor, das auch beruflich zu machen. Außerdem verstehe ich jetzt rückblickend auch einige Sachen, die ich mit meinem Trainer Bernd Wetter all die Jahre gemacht habe, besser.

Könntest du dir da auch ein Leben als Touring Coach vorstellen oder würdest du eher in Österreich bleiben wollen, um beispielsweise in der Nachwuchsarbeit tätig zu sein?
Mein Ziel ist schon eher, Spieler auf Spitzenniveau zu betreuen. Da kann ich auch meine Erfahrung einbringen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Es würde dann natürlich auch darauf ankommen, wie viele Tage im Jahr ich nicht daheim wäre. Ob ich ein Dreivierteljahr herumreisen würde, kann ich aus heutiger Sicht nicht beurteilen, das hängt dann von meiner Lebenssituation ab. Aber eine Gruppe von Mädels an die WTA-Tour heranzuführen, das würde mich schon sehr reizen.

Du bist die österreichische Spielerin, die speziell im heurigen Jahr auf beinahe allen Ebenen gespielt hat: vom kleinen ÖTV-Event über Challengers bis hin zum großen WTA-Turnier. Dementsprechend hast du nun auch auf allen Ebenen einen Einblick bekommen, wie es um das Leistungsvermögen des österreichischen Damentennis bestellt ist. Wie würdest du das beurteilen?
Eine Sybille Bammer muss man halt einfach bewundern. Die ist irrsinnig fokussiert, im Kopf wahnsinnig stark. Sie weiß am Platz genau was sie zu tun hat und ist läuferisch wahnsinnig gut.

Tamira Paszek ...
Tamira Paszek hab ich in Linz – außer im Fernsehen – leider nicht spielen gesehen. Bei ihr scheint der Vorteil einfach ihre frühe Entwicklung zu sein. Wenn ich daran denke, wie ich mit 14 Jahren gedacht habe – so weit wie Tamira war ich bei weitem noch nicht. Ich bin damals auch in das Tennis mehr so reingerutscht, vom Kreismeister über den Landesmeister zum Staatsmeister hin. Aber bei Tamira wirkt das total professionell durchgeplant und sie hat diesen starken Vater, der im Hintergrund gut arbeitet.

Du hast 1997 in Italien mit einem Future-Sieg dein einziges internationales Turnier gewonnen, und das schon mit 17 Jahren. Wie hast du dir damals deine weitere Karriere ausgemalt? Was hat sich erfüllt und was nicht?
Also ich muss eines gleich dazu sagen: Damals hab ich viel, viel schlechteres Tennis gespielt und war viel unfitter, als das jetzt der Fall ist. Die Dichte war damals allerdings bei weitem nicht so groß, das wurde in letzter Zeit von Jahr zu Jahr deutlich schwieriger. Meine Trainer haben mir damals jedenfalls prophezeit, dass ich das Zeug für die Top 100 hätte. Die Trainer haben mir bis dorthin einen kontinuierlichen, aber guten Aufwärtstrend zugetraut. Das war halt dann nicht so, es hat der Knacks gefehlt, dieser kleine, aber entscheidende Durchbruch.

Und wie hast duÂ’s selber damals gesehen? Wie hast du dir deine Zukunft vorgestellt?
Das ist schon so lange her… Es ist aber sicher so, dass in so einem Alter alles mehr durch die rosarote Brille sieht als man das später tut. Ich habe mit 15 Jahren oder so immer gemeint, dass ich die Nummer eins werden will.

Interview: Andi Pernsteiner




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