Köllerer putzt auch Delgado: "Ich könnte ein Fan von mir werden"

"Crazy Däni" setzt beim 75.000 Dollar-Challenger in Kolumbien seinen Höhenflug fort, spielt groß auf und gewinnt nicht nur sich selbst als Fan.

Mit dem dritten klaren Zweisatzerfolg steht Daniel Köllerer beim 50.000 Dollar+H-Challenger von Bogota bereits im Semifinale. In der Runde der letzten Acht ließ "Crazy Däni" dem auf vier gesetzten Ramon Delgado aus Paraguay mit 6:3, 6:3 keine Chance. Der 28-jährige Routinier aus Asuncion hat als aktuelle ATP-Nummer 117 etwa doppelt so viele Punkte auf seinem Konto wie sein österreichischer Bezwinger.

Nun gegen zweifachen Saison-Sieger
Köllerer, der sich laut eigenen Angaben in Bogota "unbeschreiblich wohl" fühlt, trifft nun auf den Argentinier Sergio Roitman. Der 26-Jährige gewann heuer bereits die Challenger von Barcelona und Freudenstadt und beendete auch das einzige Duell mit Österreichs Nummer fünf als Sieger: 2004 in Mexiko City gewann die aktuelle ATP-Nummer 177 mit 6:0, 6:4.

Matches in Höhenlage
"Der Spin springt dank der Höhenlage ohne Ende weg. Wenn du einen guten schnellen Kick servieren kannst, ist das schon die halbe Miete", freute sich Köllerer nach dem Achtelfinale. Auch Roitman dürfte sich in hohen Lagen wohl fühlen, das einseitige Duell in Mexiko City fand auf 2308 Metern Seehöhe statt. Bogota liegt gar 2640 Meter über dem Meeresspiegel.

Wieder Top 200
Däni hat somit in Bogota bereits 27 zu seinen 186 Punkten dazuverdient. Damit wird der 22-jährige Welser nächste Woche wieder unter den besten 200 der ATP-Rangliste zu finden sein. Derzeit steht Daniel, der sein Career High von Position 154 im Mai 2004 erreicht hat, auf Platz 207.

pb


Die tennisweb.at-Ergebnisse aus Bogota:
Herren

PS: Neuerlich hat Daniel nach dem Match ein ebenso ausführliches wie veröffentlichenswertes Mail an die Redaktion von tennisweb.at gesendet:

"Hallo in die Heimat.

Naja, mein Tag war heute wieder super.

Meine Gefühlszustände: Unfassbar gut - betrogen und hintergangen - Weltklasse und erleichtert.

Gefühlszustand Nr. 1 = Unfassbar gut:

Als ich heute zum Einschlagen gegangen bin, hab ich einen neuen Schläger ausgepackt, weil mir der andere schon etwas weich vorkam - hatte nur noch 27kg - hahaha.

Hab mir ein Griffband gewickelt, dann anschließend noch mit meinem Hitting-Partner Sergio Roitman (meinem morgigen/heutigen Gegner) noch ein wenig an den gerade frisch geöffneten Dosen wo die Bälle drinnen sind geschnüffelt, und dann ist es los gegangen.

Ich hab den Ball aus der Hosentasche genommen, ihn fallen gelassen und ihn locker eingespielt. Ich schwöre eines - ich hatte noch nie so ein geiles Gefühl und Touch als ich den ersten Ball beim Einschlagen eingespielt habe. Dann beim einschlagen wurde der Touch normalisiert, und ich hab mir dann wirklich die Frage gestellt: Wie will der mich heute schlagen?

Nach dem Einschlagen hab ich dann wieder mein Einser-Menü am Club gegessen – zwei Toasts mit einer Portion Pommes und einer Coke (ich ernähre mich wie ein Tourist - Wahnsinn).

Danach hab ich mir ein wenig das Match zwischen Roitman und Armando angesehen. Was da abgegangen ist. Matchball Armando im 2. Satz bei 8:7 im Tie-Break. Schneller zweiter Aufschlag durch die Mitte - Sergio (Roitman) spielt ihn mit dem Rahmen mitten auf die Plane. Alle Leute springen auf und jubeln voll. Sergio grinst und hebt den Finger - OUT. Er macht die nächsten zwei Punkte und somit ist 3. Satz. Knapp eine halbe Stunde später hieß der Sieger dann nicht Hugo Armando, sondern Sergio Roitman.

War nach dem Match noch kurz im Internet und hab mir dann das zweite Match auf dem "Centrale Estadio" angesehen.

Gefühlszustand Nr. 2 = Betrogen und Hintergangen

Während ich ganz gemütlich beim Match zuschaue, kommt eine Frau vom Turnier ganz aufgeregt zu mir und meint, dass ich in 5 Minuten spielen muss, weil es sonst dunkel wird und es zu regnen beginnt. Sie suchen mich auch schon seit 15 Minuten, sagt sie, aber sie konnten mich leider nicht finden. Geil war halt, dass eine halbe Stunde bevor die Frau zu mir gekommen ist, noch der Supervisor neben mir gesessen ist und sich mit mir unterhalten hat, und dann konnten sie mich nicht finden - ich glaub eher, sie wollten mich nicht finden.

Gefühlszustand Nr. 3 = Weltklasse und erleichtert

Das Match heute war wieder unfassbar geil. Ich hab so geil gezockt. Wenn ich so weiter Tennis spiele und weiterhin so ruhig bleibe, könnte ich wirklich ein Fan von mir werden.

Der Start war wieder dasselbe. Break zum 1:0, dann Breakball abgewehrt und gehalten - 2:0. Bei 2:0 hat man dann wirklich einmal kurz gesehen, wie und warum Kollege Delgado doch schon einmal auf 54 gestanden ist. Hab dreimal unfassbar geil retouniert und hab dreimal direkt den Winner bekommen. Bei 2:1 hab ich dann einmal zwei Asse aus dem Ärmel geschüttelt - hihihi - doch eher untypisch für mich. Bei 3:1 bekam ich dann zwei Geschenke. Aus der Rallye zwei "unerzwungene" Vorhand-Fehler. Bei 4:1 war ich mir dann irgendwie zu sicher - hab nicht mehr so schnellen Kick serviert, sondern einfach den Ball ins Spiel gebracht. Das hat leider nicht gereicht - hab in den beiden Games von 4:1 auf 4:3 leider nur 2 Punkte gemacht. Scheiss egal - ruhig bleiben und bei 4:3 mit neuen Bällen rein spinnen, dann wird das schon. Naja, gesagt - getan. 5 mal geil gekickt, davon 2 mal Ass, einmal Rückhand-Stopp, einen Vorhand-Fehler und anschließend Vorhand-Winner. Bei 5:3 jeden Return richtig geil angegangen und Druck gemacht - Resultat = Break und 6:3.

Ich schwöre euch - ich war pumped ohne Ende. Wollte diese Partie unbedingt gewinnen. Scheiss egal, ob die Zuschauer 12 mal oder nur 3 mal zwischen den Ballwechseln "Vamos, Vamos, Vamos Ramon" rein geschrien haben.

Im 2. Satz hab ich richtig geil begonnen - 3 Vorhand-Winner, aber so schnell gespinnt, dass er nicht einmal einen Schritt gemacht hat, obwohl er nicht einmal weit weg gewesen wäre vom Ball. Bei 1:0 gab es dann wieder ein Breakerl - 2:0. Hab in diesem Game wirklich nur auf Ball halten gespielt, weil ich genau gewusst habe, dass er riskieren wird und sich definitv verschießen wird. Unter „Ball halten“ verstehe ich nicht reinstoßen, sondern Spin spielen und den Ball ungefähr einen Meter oder anderthalb Meter neben und vor die Linie spielen. Somit muss sich der Gegner bewegen und dein Risiko von Fehlern sinkt ohne Ende.

Naja, 2:0 - Ass, Rückhand-Stopp, Vorhand-Winner, Ass = 3:0. Mein Selbstvertrauen stieg und stieg und ich wusste, dass mich an dem heutigen Tag niemand schlagen kann. Fühlte mich unverwundbar - fehlerlos. Naja, in den nächsten 4 Games ist alles in der Reihe geblieben - 3:0, 4:1, 5:2.

Bei 5:2 hat es richtig Spaß gemacht, am Platz zu stehen. Mit der Vorhand ohne Ende Druck gemacht. Als er dann kürzer wurde, hab ich mit einem Rückhand-longline-Slice nach vorne geworfen. Er spielte einen easy Vorhand-kurz-cross, der sooo einfach gewesen wäre, wenn er nicht auf die Netzkante gegangen und über meinen Kopf gesprungen wäre. Hab dann noch 2 Schritte nach hinten gemacht und so getan, als würde ich den Ball zwischen den Beinen spielen. Hab dann ein lautes "Vamos" von mir gegeben. Jeder hat gelacht, egal ob die Zuschauer, die Linienrichter, Ballbuben oder sonst wer. Ramon und ich haben sich angeschaut und haben selber voll zu lachen begonnen.

Zwei Punkte später (15:30) spielt er einen unglaublichen Rückhand-longline. Ich komm gerade noch hin und stoße ihn ins T auf seine Vorhand-Seite. Ich hab es förmlich gerochen, dass er einen Stopp spielen wird. Ich bin nach vorne gesprintet. Er hat den Stopp wirklich gespielt. Aber was dann passiert ist, habe ich noch nie erlebt. Der Ball ist auf die Netzkante gesprungen, 10 cm in die Höhe, wieder auf die Netzkante (zu dem Zeitpunkt war ich schon am T), ist dort für eine halbe Sekunde LIEGEN GEBLIEBEN und dann zum Glück auf seiner Seite runter gefallen. Wir haben uns wieder angesehen und gelacht - das ganze Stadion hat gelacht.

Naja, 15:40 – 2 mal Matchball. Es passierte, was passieren musste. Er hat im wahrsten Sinne des Wortes drauf gesch ... – 3 Aufschlagwinner und ein Vorhand-Vollschuss.

Egal - 5:3. Der erste Ballwechsel hat sicherlich 2 Minuten gedauert. Ich hab mit der Vorhand in seine Rückhand-Ecke gezogen und er aus der Rückhand-Ecke in die Mitte. Dann hab ich den Schuss losgelassen - Vollbrett mitten in die Kreuzecke - Wahnsinn, wie der schnell war. Leider ist er aber in die Kreuzecke vom Doppelfeld. Uhhh, 0:15 - jetzt vielleicht noch ein guter Return und es steht 0:30. Naja, statt einem guten Return kam ein Aufschlag-Winner, anschl. ein Rückhand-Fehler von ihm, nochmal ein Aufschlag-Winner und zu guter Letzt ein Return-Fehler.

Spiel, Satz und Sieg - Crazy DÄNI.

Dieser Sieg freut mich natürlich wahnsinnig, aber was nach dem Match passierte, war für mich unbeschreiblich.

Ramon ist mir im Gang zur Players-Lounge entgegen gekommen und sagte mit einem leichten Schmunzeln: "Hey man, why and when did you change your tactics?" Ich hab mich gar nicht ausgekannt - sagte nur "Why? What do you mean?" - "I ask some players about you and almost everybody told me that you are a big asshole on the court, but what I have to tell you is that I never played a gentleman like you - never. Who tells me "bravo" or "well done" after a good point. I donÂ’t go with the meaning from the others - for me you are really a gentleman. Stay like this. Good luck for tomorrow. We see us in Santiago."

Ich war sprachlos. Als er mir das gesagt hat, ist es mir kalt den Rücken runter gelaufen. Für mich war es ein unbeschreibliches Gefühl, so etwas von einem ehemaligen (fast) Top 50-Spieler zu hören.

Naja, dann werde ich diese Performance wohl beibehalten - scheint ja guten Eindruck zu machen.

Spiele morgen zweites Match nach 11 (n.b. 13.30) gegen Roitman. Mit ihm hab ich eh noch eine Rechnung offen. Hab letztes Jahr gegen ihn beim 100.000er in Mexico City verloren. Hab halt damals nach meinem Bogota-Semifinale am Abend nicht das Entspannen bevorzugt, sondern eher das Shaggy-Konzert.

Morgen bin ich top-fit und griffig auf Revanche.

Lg aus Bogota, DÄNI."


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