ÖTV-Rangliste vor umfassender Reform

19. Juni 2013. Dass die ÖTV-Rangliste noch heuer reformiert wird ist fix; über die Details ist man sich beim Verband aber noch nicht im Klaren. Lesen Sie bei uns was bisher bekannt ist.

Die ÖTV-Rangliste wird noch heuer einer umfangreichen Reform unterzogen. Die Landesverbands-Präsidenten haben dies auf Ansuchen des ÖTV-Präsidenten Ronnie Leitgeb einstimmig beschlossen. Eine modifizierte Variante des ITN-Rankings wird voraussichtlich schon ab Herbst die derzeitigen ÖTV-Ranglisten ersetzen. Beim Verband arbeitet man seit einiger Zeit mit Nachdruck daran. "Ziel ist, dass wir nur noch eine Rangliste haben, nicht wie derzeit zwei unterschiedliche Ranglisten", so ÖTV-Turnierreferent Heinz Lampe gegenüber tennisfabrik.at.

Runden- und Bonuspunkte werden abgeschafft
Fortan soll es bei Turnieren keine Rundenpunkte und keine Bonuspunkte mehr geben. Lampe: "Wir gehen weg von den Rundenpunkten, nur mehr Head-to-Head-Ergebnisse werden zur Erstellung der Ranglisten herangezogen werden." Wie die Wertung genau aussehen wird, weiß man beim Verband jedoch noch nicht. Lampe: "Wir diskutieren noch diverse Details. Möglicherweise wird man zusätzlich zu den Head-to-Head-Ergebnissen – für Turnierergebnisse ab dem Achtelfinale – einen Abschlag im ITN-Ranking bekommen, der dann ein Jahr gilt und der verteidigt werden muss." Die Staatsmeister_innen erhalten dann beispielsweise einen Abschlag von 0,3 Punkten für die ITN-Wertung. Diesen Abschlag müssen sie dann im Folgejahr verteidigen.

Teilnahmebeschränkungen bei ÖTV-Turnieren
Einer der aktuell fleißigsten Turnierspieler, Stefan Hirn, war kürzlich bei einer Informationsveranstaltung für Turnierleiter in St. Pölten und erfuhr weitere Details: Die Turnierteilnahmen werden an den ITN gekoppelt; bei niedrigen Kategorie-Turnieren dürfen die Top-Spieler_innen also nicht mitspielen. Bei Kreismeisterschaften dürften dann beispielsweise Spieler ab einem ITN von 3,5 und höher startberechtigt sein. "Wie das alles genau geregelt sein wird, weiß offenbar noch keiner", so Hirn, "die Top-Spieler dürfen dann vielleicht nur noch fünf Turniere im Jahr spielen!" Lampe entwarnt: "Bei Preisgeldturnieren der allgemeinen Klasse ab Kategorie VI bleibt alles beim Alten. Nach oben darf jeder mitspielen. Für uns sind Breitensportturniere die Zukunft. Für Spieler ab einem ITN von 4,0 aufwärts soll es mehr Turniere geben."

Alle Turniere ab Juli kommen nicht mehr in die Wertung
Die letzten ÖTV-Ranglisten nach dem alten System werden voraussichtlich im Sommer 2013 erscheinen. Für die allgemeine Klasse wird diese am 15. Juli veröffentlicht; für die Jugendlichen und Senioren am 15. August. Alle Turniere, die danach ausgetragen werden, finden keine Berücksichtigung mehr. In der allgemeinen Klasse würde dann beispielsweise das Kilber ÖTV Turnier (10.-14. Juli) nicht mehr gewertet. Auch bei den Events in Scheibbs oder Traismauer mit ÖTV-Wertigkeit IV spielt man neben dem Preisgeld nur noch um ein ITN-Ranking.

Altersklassen werden abgeschafft
Der Veranstalter Österreichs größter Jugend-Tennis-Turnierserie Raimund Stefanits sieht im Ranking große Schwankungen: "Ein ITN von 4,5 im Burgenland ist mit einem ITN von 4,5 in Wien nicht vergleichbar. Auch gibt es Spieler die gezielt nur Matches spielen, bei denen sie sich nicht verschlechtern können. Solange das System so große Schwächen hat, macht es keinen Sinn umzusteigen. Die sinkenden Teilnehmerzahlen werden weiter fallen. Die Umstellung wird das Turniertennis in Österreich meiner Meinung nach weiter schwächen." Laut Stefanits sollen bei Jugend- und Senioren-Turnieren außerdem die Altersklassen abgeschafft werden, stattdessen sollen die Bewerbe nur noch nach ITN-Spielstärkegrad eingeteilt werden.

Mario Haider-Maurer vor Jürgen Melzer
Dass die ITN-Rangliste verfälscht ist, erkennt man auf den ersten Blick: Mario Haider-Maurer führt diese vor Jürgen Melzer an. Der Verband hat sich dieser Problematik angenommen. Lampe: "Die internationalen Ergebnisse werden stärker Berücksichtigt werden. ATP- und WTA-Spieler müssen auch in der Rangliste vorne sein." ÖTV-Top-20-Spieler Stefan Hirn ist mit einem ITN von 2,31 nicht unter den Top 50, ebenso wenig wie Österreichs Nummer drei im ATP-Ranking Gerald Melzer. Die Verzerrung kommt sicher auch dadurch zustande: Seit einigen Jahren können ITN-Ergebnisse von den Spielern gestrichen werden. Zunächst nach fünf Spielen, danach nach jeweils weiteren zehn. "Ich habe mich um mein ITN-Ranking nicht gekümmert und bin nun entsprechend weit hinten. Ich bräuchte zehn Siege über starke Gegner um wieder einen ITN von 1,75 zu erreichen", so Hirn.

Turnierkalender 2014 wackelt
Noch im Sommer will der Verband weitere Details zur geplanten Ranglisten-Reform veröffentlichen. Der Turnierkalender für 2014 wackelt indes gewaltig. Lampe: "Niemand weiß, wie sich die Änderungen auf die Turnierteilnahmen auswirken wird. Da die Reform noch nicht umgesetzt ist, machen wir den Turnierkalender für 2014 nach den aktuell geltenden Regeln. Nach der Umsetzung der Reform werde ich mich mit jedem Turnierleiter absprechen, ob das Turnier tatsächlich ausgetragen wird."


Die absehbaren Konsequenzen, wenn die Ranglistenreform umgesetzt wird:

• Weniger Nennungen
Bleibt in der allgemeinen Klasse noch der Motivationsfaktor Preisgeld erhalten, dürften Jugendliche und Senior_innen weniger Motivation haben, Turniere zu spielen. Der Anreiz, sein Ranking durch viele Turnierstarts zu verbessern, wird wegfallen. Die nicht unerheblichen Nenngelder kann man bei vereinsinternen Spielen und Turnieren einsparen. Spieler_innen mit gutem ITN-Ranking dürften wenig Motivation haben, Turniere zu spielen – können sie sich dabei doch nur verschlechtern.

• Weniger ÖTV-Turniere
Bestreiten weniger Spieler_innen Turniere, werden auch Veranstalter_innen das Risiko scheuen, Turniere zu veranstalten, da sie mit weniger Einnahmen rechnen müssen. Auch für Sponsoren wird es aufgrund des zu erwartenden Rückgangs der Nennungen, weniger interessant ein Turnier zu finanzieren. Stattdessen könnten Einladungsturniere ohne ÖTV-Wertigkeit Verbreitung finden.

• Rangliste anfällig für Manipulation
Da die Rangliste ausschließlich auf direkten Duellen beruht, besteht die Gefahr, dass speziell bei vereinsinternen Matches ohne jegliche Kontrolle durch Offizielle, durch Absprachen die Rangliste stark manipuliert wird. Schon jetzt ist das eine der großen Schwächen des ITN-Systems.

• Entgegen dem internationalen Trend
International haben ATP, WTA und ITF Bonuspunkte schon länger aus ihren Ranglisten gestrichen. Stattdessen werden dort ausschließlich Rundenpunkte vergeben. In Österreich agiert man entgegen diesem Trend und setzt ausschließlich auf direkte Duelle. Es erinnert an die Einführung der ÖTV-Jugend-Doppel-Rangliste vor einigen Jahren. Statt dem Vorbild der ITF zu folgen, die Doppelergebnisse in die Junior_innen-Wertung integriert hat, erstellte man eine eigene, wenig aussagekräftige Doppel-Rangliste. Später ruderte der ÖTV zurück und integrierte die Doppel-Ergebnisse in die Einzel-Rangliste.

Text: Peter Robič


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